tohuwabohu81

  • Schrift vergrößern
  • Standard-Schriftgröße
  • Schriftgröße verkleinern
Start Events

20.05.2011, Mautern (AU)

Mautern, Österreich, kurz hinter Graz

Zivilisation ...

Wer unseren Bericht immer noch verfolgt, hat gemerkt, dass ich beim Verfassen täglicher Rapporte nicht Doris’ Disziplin habe. Und das, obwohl wir weit weniger strapaziöse Etappen fahren, Schande auf mein Haupt. Gestern haben wir die Zivilisation in Form einer Autobahn wieder ereicht, die uns mit sagenhaften 130 km/h durch Kroatien gebracht hat.

Erst sah es so aus, als würden wir auf dem Küstensträßchen überhaupt nicht vorwärts kommen, aber wir waren schon froh, überhaupt eine Strasse zu haben, weil das Navi und auch Google-Maps gar nichts angezeigt haben. Richtige Landkarten gab’s seit Griechenland nicht mehr zu kaufen. Das Navi wollte uns andauernd auf eine Fähre schicken (Horrorvorstellung). Dann noch ein heftiger Schreck, als ich nach 10 km bemerkt habe, dass mein Pass noch im Hotel in Dubrovnik liegt und wir umkehren mussten.

Zurück in die Stadt und das Hotel aus der anderen Richtung suchen, hat uns gut eine Stunde gekostet. Die Rezeption hatte es auch schon bemerkt und vorsorglich sogar bei der bosnischen Grenze angerufen. Sehr freundlich und hilfsbereit, hatten uns auch Ort für Ort die Strecke bis zur Autobahn aufgezeichnet.

Mit ihrer Fahrzeitschätzung von 16 Stunden bis Zagreb lagen sie zum Glück trotz meines Patzers daneben. Vielleicht hat’s was ausgemacht, dass wir den Dachgepäckträger abgebaut haben, wodurch der Spritverbrauch um 30% sank, die Reichweite also entsprechend stieg. Andererseits hat’s auch Zeit gekostet, die unzähligen Befestigungsschellen mit nur einem Schraubenzieher zu lösen. An dem Teil hätte man das Auto auch mit einem Kran hochheben können.

Dubrovnik war ein ästhetisches Erlebnis, nachdem wir durch Mazedonien, Albanien und Montenegro gekommen waren und in Tirana in einem Stundenhotel übernachtet hatten. Nach Albanien rein ging es noch recht gut voran, obwohl der Straßenbelag so schmierig war, dass es mich auf der Passstrasse gleich hinter der Grenze beinah umgedreht hat. Dank ABS blieb die Fuhre auf der Straße, aber meine Beifahrerin war so erschrocken, dass in den nächsten Stunden nur noch Schleichfahrt angesagt war. Im Gegensatz zu den Einheimischen, die beim Überholen offensichtlich durch Berge hindurch sehen können.

Aus Albanien wieder rauszufinden gestaltet sich äußerst mühsam, da der ausgeschilderte Grenzübergang noch gar nicht eröffnet war und die Straße sich noch im Bau befand. Wieder einmal zeigte sich, was die alten Daimler aushalten. Hut ab! Das war wirklich noch Qualität. Man konnte auch ganz eindeutig beobachten, wie die Mercedesdichte hochging, je erbärmlicher die Verhältnisse wurden. Offensichtlich sind das die einzigen Fahrzeuge, die unter diesen Bedingungen überleben. Dabei gehörten unsere noch zu den aktuellsten Modellen.

Bei einem Überholmanöver habe ich mich grob verschätzt und es hat nur gereicht, weil sowohl der entgegenkommende als auch der überholte LKW sich darauf verständigten, uns am Leben zu lassen. Gisela hat’s zum Glück nicht mitbekommen, sie war die ganze Zeit mit ihrer Geschäftsführung zugange, sobald Handyempfang bestand. Mobiles Internet ist in Albanien nicht verfügbar. Auch das Festnetz im Hotel funktionierte nicht, navigieren mussten wir nach Gefühl. Da, wo die großen LKW herkamen, musste die Transitstrecke sein, auch wenn sie nicht so aussah. Am Grenzübergang von Mazedonien nach Albanien wollte der Zöllner wissen, was wir da alles im Auto hätten. Auf die Antwort Campingausrüstung wurde er misstrauisch – kein Mensch sei je auf die Idee gekommen, in Albanien zu campen. Er akzeptiert schließlich die Erklärung, dass wir auf dem Heimweg aus der Türkei seien und dort gecampt hätten.

An der Straße stehen fröstelnde Menschen im Nieselregen und versuchen ein paar Kirschen zu verkaufen. Uns sind aber schon die Pfirsiche vergammelt, die seit der Türkei mitfahren und die wir vergessen hatten, bis sie durch Gärungsgeruch auf sich aufmerksam machten.

Auf der Strecke nach Norden mussten wir auch noch kurz durch Bosnien, allmählich sind die Pässe vollgestempelt. Wir sind ohne Strafzettel durch 14 Länder gekommen, bis uns gestern Abend die Österreicher in einer Baustelle gelasert haben. Geblitzt hat’s nicht, bin mal gespannt, ob eine Rechnung kommt. Ich vermute, die dokumentieren mit Video, weil sie an der Stelle gar niemanden hätten anhalten können.

Hier im Gasthof wohnt noch eine Truppe Schweizer Holzfäller, das sind Spezialisten für Heli-Logging, das heißt, die holen die Stämme mit einem Hubschrauber aus sonst unzugänglichen Höhenlagen. Der Hubschrauber parkt auf der Wiese hinterm Hotel. Um die 20 raue Gesellen und ein Mädchen, das ihnen nicht nachsteht. Wenn ich’s richtig mitbekommen habe, ist sie die Försterin. Dem frühmorgendlichen und trotz Oropax unüberhörbaren Aufbruch dieses Vereins verdankt der vorliegende Bericht seine Entstehung. Wir hatten gestern Abend noch überlegt, einfach durchzufahren, als das Navi nur noch lächerliche acht Stunden bis nachhause angezeigt hat, aber das wäre doch grob fahrlässig gewesen nach 800 km, bei denen wir nur zum Tanken und Pinkeln angehalten haben. Die Reise nähert sich nun auch für uns dem Ende. Doris und Bernd sind ja schon gut angekommen. Wir haben alle genug, aber schade ist es doch. Es wird ein paar Tage brauchen, wieder in den Alltag zurückzufinden. Schon die riesigen Factory Outlets und Mediamärkte an der Autobahn wirken fremdartig. Genau wie die Tatsache, dass plötzlich überall Deutsch gesprochen wird, auch im Radio.

Die Eindrücke fließen mit den gefahrenen Kilometern ineinander. Auch Kroatien ist auf jeden Fall einen ausgedehnteren Besuch wert. Die Autobahn windet sich durch endlose Landschaft, das Küstensträßchen erinnert mich an meine allererste Motorradreise an die Cote d’Azur vor dreißig Jahren und Dubrovnik ist sogar für einen Kulturmuffel wie mich ein Highlight.
Wir hatten ein Terrassenrestaurant über dem alten Hafen mit Blick auf die Zitadelle und bekamen absolut fangfrischen Fisch zubereitet.

Übrigens hatten wir auch in Tirana einen sehr guten Griff mit dem Restaurant für’s Abendessen getan. Gisela wollte gleich den Koch abwerben. Und das nur fünfzig Meter von unserer Unterkunft, die nicht mal Frühstück anbot.

Das gab es später an einer Tankstelle in Form von cremegefüllten Minicroissants aus der Tüte – echt widerlich. Gut, dass wir das Auto noch voller Müsliriegel hatten. Auch Agnes’ und Martins Wasservorräte haben für die ganze Reise gereicht. Die Unmengen an Motoröl dürfen wieder mit nachhause.

Wir trennen uns schließlich bei Feldkirch, wo Agnes und Martin sich nordwärts orientieren, während Gisela und ich die Schweizer Autobahn wählen. Bis auf den zähen Feierabendverkehr im Großraum Zürich läuft’s wie am Schnürchen.

18.30 Uhr fahren wir zuhause auf den Hof. Beim Ausladen des Autos finden sich sogar Dinge wieder, die wir die ganze Reise über vermisst haben, wie zum Beispiel die Ladeschale für unser Funkgerät.

 

Vielen Dank an die Sponsoren unseres Rallye-Teams:

Banner
Banner
Banner
Banner