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16.05.2011, Bursa (TR)

Montag, 16.05.2011 Bursa, 6:00 Uhr

Unter meinem Hotelfenster erwacht brummend eine moderne Großstadt in der Morgensonne. Heute beginnt schon Tag 3 seit sich die Rallye sang- und klanglos am Kai von Tascun aufgelöst hat. Noch immer weiß keiner, warum wir vor Port Said umdrehen mussten. Auf dem Sinai scheint es ruhig zu sein. Schade ist vor allem, dass sich unser Team nun trennen musste, weil Doris und Bernd dringend zur Arbeit müssen. So wurde ich (Erhard) ganz demokratisch für die Aufgabe bestimmt, den Reisebericht für den Rest unserer Truppe weiter zu führen. Doris und Bernd haben sich gestern noch mal aus Istanbul gemeldet und wollten weiter bis Sofia.

Wir lassen es gemütlich angehen. Die Übernachtung gestern in einem äußerst einfachen Hotel in Konya erschien uns paradiesisch, obwohl mein Zimmer nicht mal ein Fenster hatte. Nach sechs Tagen zum ersten Mal raus aus den Kleidern und duschen!

Der Ort selbst gilt als der frömmste in der ganzen Türkei, was sich vor allem durch Probleme, ein Glas Wein zum Essen zu bekommen, bemerkbar macht. Bier konnte später noch separat beschafft werden. Es befinden sich auch noch ein paar andere Teams in der Stadt, die sich offenbar für die gleiche Route entschieden haben. Wir wollen über die Dardanellen nach Griechenland - da soll das Wetter besser sein als auf der östlichen Route.

Am Morgen ist für die kulturell Interessierten sogar noch ein Museumsbesuch drin. Wir haben ja jetzt Urlaub. Ohne unser Führungsfahrzeug verteilen sich die Rollen neu: Während ich versuche, die literarischen Fußstapfen von Doris auszufüllen und ansonsten einfach dran zu bleiben, übernehmen Agnes und Martin die Spitze und damit die Navigation.

Auch die Rolle als Schlussfahrzeug bringt neue Herausforderungen in Form dunkelgelber Ampeln und schrumpfender Sicherheitsreserven bei den Überholmanövern. Zum Glück sind die meisten Straßen vierspurig, auch der Verkehr läuft überraschend glatt, kein Geschrei oder Gehupe. Vor uns hatte ein VW-Bus beim Überholen einen entgegenkommenden LKW hinter einer Kuppe übersehen und es wurde leicht brenzelig. Jeder machte etwas Platz und ging vom Gas. So hat’s gerade noch gepasst ohne wildes Gestikulieren. Auch im Stadtverkehr werden Spurwechsel ermöglicht, wenn man blinkt, anders als in Istanbul muß man sie nicht gewaltsam erzwingen.

Besonders erwähnenswert war gestern ein Rasthaus, bei dem wir eigentlich nur Kaffee trinken wollten. Die große Zahl parkender LKWs hätte uns warnen müssen. Es gab extrem gutes Essen für fast kein Geld. Wir waren hinterher müder als vorher. Wenigstens hat keiner mehr versucht, unsere Autos zu waschen. Wahrscheinlich gelten diese inzwischen als hoffnungslose Fälle, obwohl es uns gelungen ist, die schlimmsten Beulen wieder aus den Motorhauben rauszudrücken. Der Alkohol und die Langeweile auf dem Schiff hat bei manchen Rallyeteilnehmern  die archaischen Charakterzüge hervortreten lassen. Wir vermissen den Tross jedenfalls nicht.

Kurz kam die Idee auf, zusammen mit einem anderen Team, das wohl einen Jordanier dabei hatte, auf eigene Faust durch Syrien zu fahren. Da musste ich leider die Abenteuerlust meiner Mitreisenden ausbremsen. Ich war 2001 in Nepal, als es mit den Maoisten rund ging. Und so was brauche ich nicht noch mal! Ein  Team hat es anscheinend bis Amman geschafft. Der Sieg sei ihnen gegönnt.

Wir peilen heute Thessaloniki als Ziel an, aber alle haben sich vorgenommen, die Türkei nochmals ausführlicher zu bereisen. Vor allem auch den Osten, den wir ja auf Grund von Fehlinformationen verpasst haben. Keiner wird deshalb bei TUI oder Neckermann buchen, nur weil er nicht gerne tagelang auf Hafenkais rumsitzt. Und für Mittelmeerkreuzfahrten war ich schon vorher nicht zu begeistern. Alles in allem hatten wir noch großes Glück, dass wir nicht in richtiges Unwetter geraten sind. So ist es nur schade um die Zeit, vor allem für diejenigen, die wie unser Fahrzeug Nr. 1 wieder direkt zur Arbeit müssen.

Die Rückflüge von Amman konnte Agnes problemlos stornieren, ein Anschlussprogramm hätten wir ohnehin in Eigenregie durchgeführt, was nach all den organisatorischen  Highlights sicher klug war. Möglicherweise sind wir zu empfindlich. Beim Abschied haben wir mitbekommen, wie sich manche Teams überschwänglich beim OK für die schöne Rallye bedankt haben (andere suchten Mitstreiter für eine Sammelklage). Mir hätten schon ein paar erklärende und vielleicht auch ein paar entschuldigende Worte gereicht. Shit happens, aber dafür muß ich mich nicht auch noch auf Kaffeefahrt schicken lassen.

Ob wohl die Hilfsgüter, die im Regen auf einem offenen Kleinlaster weggekarrt wurden, ihren Weg zu den Bedürftigen finden? Den Notarztkoffer und den Defi hab ich da jedenfalls nicht dazugeschmissen.

 

Vielen Dank an die Sponsoren unseres Rallye-Teams:

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